
Dresden – Ein an wechselvoller Geschichte reiches, doch in unserer Zeit kaum mehr beachtetes Bauwerk erstreckt sich in breiter Front eingangs der Heinrichstraße, neben dem im Dornröschenschlaf verharrenden Hotel„Stadt Leipzig“, in Dresdens Barockviertel Innere Neustadt.
Wie alles anfing
Einst soll hier, im ehemaligen Hotel „Sachsenhof“, eine Posthalterei gewesen sein. Nur einen Steinwurf entfernt verlief die Straße nach Meißen und Leipzig, wo nach 1683 zweimal wöchentlich die kurfürstlich-sächsische „fahrende Post“ verkehrte. Der „Posthalter“ - jener Privatunternehmer also, der Pferde und Kutschen zur Verfügung stellte, unterhielt nicht selten ein Gasthaus, die „Ausspanne“, wo Pferde untergestellt werden, Reisende aber übernachten und speisen konnten. Einst nahmen hier auch die Roßhändler Quartier, später werden die Lieferanten der nahegelegenen Neustädter Markthalle (erbaut 1899) regelmäßige Gäste gewesen sein.
Von „Standfuss“ zum „Stadt Breslau“
Auf der Suche nach älteren Spuren wird man zunächst unter der Hausnummer „12“ fündig (auf die am Ausgang des Jahrhunderts eine „9“ folgen wird). Dementsprechend verzeichnet Griebens „Wegweiser für Dresden“ 1857 (in der Heinrichstraße 12) das „Standfuss“, als „Gasthof II. Ranges“. Friedrich August Standfuß ist auch 1863 noch der „Gastwirth“ im Parterre jenes Hauses, dessen oberes Stockwerk ein „Militärapotheker a. D.“ bewohnt, während Hausbesitzer C. F. Seebe um die Ecke am Palaisplatz residiert (Adreßbuch für 1863). Die Namen wechseln, der Standort bleibt, denn ganz in der Nähe waren Ferneisenbahnhöfe entstanden, aus denen täglich potentielle Gäste in die Stadt strömten ...
1912 errichtet der legendäre Zirkus Sarrasani nebenan, am Königin-Carola-Platz, sein Winterquartier - Europas ersten festen Zirkusbau! Seitdem galt das nunmehrige „Stadt Breslau“ in der Heinrichstraße als Artistenhotel. So zählt der schlichte einstöckige Bau auch internationale Berühmtheiten, wie den Schweizer Clown Grock (1880-1959) oder Enrico Rastelli (1896-1931) zu seinen Gästen. Küthmanns Dresden-Führer für 1914/15 beschränkt sich dennoch auf das Nötigste: „4 Min. vom Bahnhof sowie vom Kgl. Schloß. Gute bürgerliche Bewirtung. Zimmer von M. 1,25 an.“ Selbstbewußt posieren auf einem Photo jener Zeit, so darf man jedenfalls annehmen, Besitzer Hermann Heinke und sein Oberkellner vor ihrem Anwesen, dessen Fassade auch eine „Stehbierhalle“ und traditionelle „Ausspannung“ verheißt.
Der „Sachsenhof“ in der Rosa-Luxemburg-Straße
Schließlich hat das alte „Stadt Breslau“ nicht nur die Wirren zweier Weltkriege und den Feuersturm überstanden – und reüssiert 1948 erneut im Sächsischen Landesadressbuch. Neu, schon der Straßenname: aus Heinrich dem Frommen war eine Rosa Luxemburg geworden. Später muß die zu Polen geschlagene schlesische Provinzhauptstadt weichen, verwandelt sich „Stadt Breslau“ zweckmäßig in einen „Sachsenhof“. Doch auch in der eben gegründeten DDR ging das Leben weiter, nicht anders in dem eingangs der Heinrichstraße gelegenen Hotel ...
Und so schwärmen die in Westdeutschland erscheinenden „Dresdner Monatsblätter“ 1965 in ihrer Februarausgabe: „Wer von den heutigen Stammgästen des alten Hotels lange nicht in Dresden war, wird bei seinem nächsten Aufenthalt das Künstlerzimmer und die anderen Gasträume kaum wiedererkennen. Die Maler verstanden es, die besondere Atmosphäre der Räume mit den schönen Kreuzgewölben und Mauerbögen mit Farbe und Pinsel wirkungsvoll zu unterstreichen. Der ‚Sachsenhof‘ ist jetzt noch schöner, noch gemütlicher und noch stimmungsvoller geworden, so daß sich seine Gäste dort wohlfühlen können.“
Selbst in unseren Tagen erinnert sich ein grau gewordener Zeitzeuge lebhaft einer außergewöhnlichen Klientel, jenen „Frauen in Männersachen“, die - Knickerbocker und Schiebermützen tragend - in den 1950ern den Vorraum der Gastwirtschaft belegten. 1976 ist das Hotel Sachsenhof noch in einem Dresden-Stadtführer verzeichnet. Nach der Wiedervereinigung 1989 waren dort auch eine Modeboutique und Musikschule untergekommen, aktuell dominieren „Cinderella Braut- und Festmoden Dresden“ ebenerdig ein überschaubares Geschehen.
Allein verblichene Papiere künden noch von einer Ära, als hier ein Hotel und Gasthaus gewesen, das ein schillerndes Publikumvereinte; aus dessen breiter Einfahrt Fuhrwerke rasselten, deren Kutscher „Hey da, aus dem Weg!“ riefen - und das Leben ein wirkliches Wagnis war.

Quelle: Bert Wawrzinek
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