
Dresden – Südwestlich von Dresden, im heutigen Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, liegt an der Wilden Weißeritz die Kleinstadt Tharandt. Hervorgegangen aus einer Handwerkersiedlung namens Granaten am Fuß der Burg Tharandt, die der Markgraf von Meißen errichten ließ, wurde der Flecken zunächst indirekt in einer Urkunde vom 21. Januar 1216 erwähnt, genauer ein Vasall des Markgrafen – Boriwo de Tarant – als Burghauptmann genannt.
Der Sage nach soll die Burg 1190 in Flammen aufgegangen sein, wobei ein Wunder geschah, und die hier aufbewahrte, wundertätige Fahne des heiligen Georg, unter der Ludwig der Fromme, Landgraf zu Thüringen, 1188 in den Kreuzzügen gekämpft hatte, während des Brandes „vor aller Augen“ zu einem Fenster „herausgeflogen“ und auf immer verschwunden sei. Häufig weilte der Markgraf und Minnesänger Heinrich der Erlauchte (1218-1288) auf der Burg, 1464 erfolgte hier der „Vollzug der Ehe“ zwischen Albrecht dem Beherzten (1443-1500), dem Stammvater der albertinischen Wettiner, und seiner Gemahlin Sidonie. Der Baumeister Arnold von Westfalen hat der böhmischen Königstochter die Burg zum komfortablen Alterssitz umgebaut. Sidonie starb 1510 und war deren letzte Bewohnerin. Ihr zu Ehren stiftete König Johann von Sachsen 1870 den Sidonien-Orden, als Frauenorden für Verdienste auf dem Gebiet „freiwillig helfender Liebe“.
Die Burg zerfiel, doch der Name blieb. Die Siedlung hatte sich 1609 zur Stadt mit eigenem Rat und Bürgermeister gemausert und allmählich den Namen Tharandt übernommen. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts sollte es dabei bleiben. 1792 – im Zeitalter der Empfindsamkeit – entdeckte man zwei Heilquellen, Tharandt wurde Badeort und Reiseziel. Auch Schiller, der hier seinen „Don Carlos“ vollendete, und Goethe, seit 1813 mehrfach mit Wohnung im Stadtbad-Hotel, kamen. „Welche eine Fülle von Schönheit“, schrieb Heinrich von Kleist im September 1800 aus Tharandt seiner Verlobten Wilhelmine von Zenge. Solche Schönheit musste auch die Maler auf den Plan rufen: Johann Christian Klengel, Caspar David Friedrich, Karl Friedrich Schinkel, Adrian Ludwig Richter, Johann Clausen Dahl und Karl Blechen fanden in der Tharandter Idylle ihre Motive. Die bereits im 16. Jahrhundert Ruine gewordene Burg wurde das meistgezeichnete Motiv jener romantischen Epoche. Teile der Unterburg fanden später Verwendung in der während des Dreißigjährigen Krieges erneuerten Bergkirche „Zum Heiligen Kreuz“. Dort findet auch der alljährliche „Tharandter Orgelsommer“ statt, im Jubiläumsjahr 2016 zum 36. Mal. Das neben der Burgruine im maurisch-orientalischen Tudorstil aufragende neue Schloss Tharandt wurde Mitte 19. Jahrhundert errichtet und später umgebaut. Zeitweise gehörte es dem „Goldmacher“ Franz Tausend (1884-1942).
Berühmt wurde Tharandt als Gelehrten- und Studentenstadt. Dies ist Heinrich Cotta (1763-1844) zu danken, der 1811 mit der Anstellung bei der sächsischen Forstvermessung auch seine private Forstlehranstalt mitbrachte. Damit entstand eine der ältesten forstlichen Ausbildungsstätten der Welt. Handwerk, Handel und das Gastgewerbe profitierten, Studentenverbindungen – allen voran Jagdkorporationen – wurden gegründet. Die Lehranstalt wurde 1816 Königlich-Sächsische Forstakademie und 1929/1941 als Forstliche Hochschule Tharandt in die Technische Hochschule Dresden eingebunden. Heute unterhält die Technische Universität Dresden hier mit neun Instituten, 20 Hochschullehrern und über 700 Studenten die Fachrichtung Forstwissenschaften ihrer umweltwissenschaftlichen Fakultät. Dazu gehört der – noch von Cotta gegründete – Forstbotanische Garten, ein 18 Hektar großes Areal mit einer der weltweit ältesten wissenschaftlichen Gehölzsammlungen. Heinrich Cottas Grab liegt südlich davon – inmitten von 80 Eichen, die Studenten einst zu seinem 80. Geburtstag gepflanzt hatten. Von dort sind es nur wenige Schritte bis zum Aussichtspunkt „Heinrichs Eck“, darunter Tharandts „Heilige Hallen“, ein Bestand mächtiger alter Buchen, die sich hallenartig gen Himmel wölben.
Schon 1805 wird überliefert, dass die Dresdner das nahegelegene Städtchen als bevorzugten Ort „sonntäglicher Vergnügungen“ nutzten. Die große Poststraße von Dresden über Freiberg nach Bayern führte seit 1833 auch durch Tharandt, was zu einer deutlichen Belebung des Fremdenverkehrs führte. Den zahlreichen Gasthäusern gingen die Besucher nicht aus. 1855 erhielt die Stadt einen Bahnanschluss nach Dresden. Ein Pferdeomnibus, der seit 1903 zwischen Tharandt und Hartha verkehrte, wurde 1912 durch die Kraftomnibuslinie des sächsischen Automobilpioniers Emil Nacke abgelöst. Als Linie 345 ist sie die heute älteste Busverbindung des Regionalverkehrs Dresden.
Die Wasserkraft der Wilden Weißeritz nutzte der Mühlenbesitzer Friedrich Ernst Schmieder seit 1893, um Strom für die angeschlossenen Häuser in der Nachbarschaft und die städtische Straßenbeleuchtung zu produzieren. Dieses Stromnetz war das zweite seiner Art in Sachsen und doch ein Novum im Königreich, da es erstmalig allen Einwohnern einer Stadt zur Verfügung stand. Die Wasserkraft der Weißeritz war es auch, die Tharandt immer wieder schwer zu schaffen machte, so 1897, 1958 und auch 2002 zur Jahrhundertflut, als der über seine Ufer getretene Fluss vier Häuser zerstörte und die Bibliothek der Forstfakultät in Mitleidenschaft zog.
Aktuell zählt die Stadt Tharandt einschließlich aller Ortsteile 5.412 Einwohner. Bürgermeister ist seit 2006 der parteilose Silvio Ziesemer, stärkste politische Kraft im Stadtrat eine Freie Wählergemeinschaft mit 44,5 Prozent (2014). Die Stadt hat eine Grundschule, eine weitere befindet sich in Hartha. Das 1910 auf dem Schulberg errichtete Schulgebäude wird seit 2006 von einem evangelischen Gymnasium genutzt. Im Tharandter Wald liegt der geographische Mittelpunkt des Freistaates Sachsen.
Tharandt ist eine kleine Stadt mit großer Tradition. In Tharandt wurden die Ideen einer modernen – nachhaltigen – Forstwirtschaft entwickelt, von hier aus trugen Forstleute diese in die Welt. Die Tharandter sind sich dessen gewiss. Am 21. August haben sie, in einem Festzug mit 800 Darstellern, Geschichte und Gegenwart ihrer Stadt in 80 liebevoll komponierten Bildern nachgestaltet.
Den Anfang machte ein Stadtwappen der Ortschaft Tharandt mit stilisiertem Granatapfel unter einer Burg, mit deren Erwähnung vor 800 Jahren eine sächsische Erfolgsgeschichte ihren Anfang nahm.
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