
Königstein – Als Sebastian Abratzky am 26. Januar vor 120 Jahren in einem Dresdner Polizeigefängnis verstarb, da hatte er ein wohl elendes Leben hinter sich. Doch einst, da galt er als tollkühner Draufgänger, der am 19. März 1848ohne Hilfsmittel über die Außenwand einer als uneinnehmbar geltenden Festung einstiegen war.
Am 22. August 1829 als Sohn eines Schuhmachers in Mahlis bei Oschatz geboren, hatte der 18-jährige Schornsteinfegergeselle seine Lehre beendet und war auf Wanderschaft gegangen. Die Arbeitssuche führte ihn auch in die Sächsische Schweiz, wo die berühmte Festung Königstein seine Aufmerksamkeit erregte, für deren Besichtigung allerdings ein Taler und zehn Groschen zu zahlen waren. Abratzky hatte kein Geld und stieg in einer 35 Meter hohen Felsspalte nach Art der Schornsteinfeger binnen 30 Minuten bis zum Plateau hinauf. Die überraschte Wache arretierte den Eindringling, der Kommandant verfügte einen halben Tag Arrest und anschließende Rückkehr nach Mahlis.
Abratzky war noch nicht entlassen, als das „Pirnaische Wochenblatt“ mit der Sensationsgeschichte aufmachte. Die „Gartenlaube“ erinnert abermals 1859 mit einem – ausgeschmückten – Text an die Geschichte, dessen Wortlaut Abratzky später für ein eigenes Traktat verwenden sollte (Die einzige Ersteigung der Festung Königstein durch Sebastian Abratzky. Von demselben erzählt. Zerbst 1892).
Für den Bergsport stellt Abratzkys Ersteigung des Königsteins in freier Kletterei eine für damalige Zeiten einzigartige Leistung dar (die heute mit dem Schwierigkeitsgrad IV der sächsischen Skala eingestuft ist). Der nach ihm benannte Abratzky-Kamin (seit 1991 im Kletterführer erwähnt) wurde erstmals wieder 1923 durchstiegen, die erste Nachkriegsbesteigung gab es im August 1955.
Auch wenn der Ruhm des wagemutigen Kletterers bis in unsere Zeit nachklingt, sind es vor allem Polizeiakten, die seinen weiteren Lebensweg dokumentieren. Nach einer Zeit beim Militär, verbüßte er 1861-1863 seine erste Haftstraße wegen Diebstahls. Einbruch und Kirchendiebstahl führen später zu einem fünfjährigen Zuchthausaufenthalt. In Zerbst und Bernburg als Schornsteinfeger und Kolporteur (Hausierer mit Büchern und Zeitschriften) tätig, wird Abratzky immer wieder aktenkundig, zeugen Landstreicherei, Trunkenheit, Ruhestörung von einem unsteten Lebenswandel.
So sehen wir ihn 1897 auf Hausierertour in Dresden, wo er am 25. Januar schwer betrunken in polizeiliche Schutzhaft genommen wird. Dort erlitt er am Folgetag einen Schlaganfall und verstarb. Beigesetzt wurde Abratzky auf dem Johannisfriedhof in Dresden-Tolkewitz, wo sein Grabstein noch heute an den „Ersteiger der Festung Königstein“ erinnert.
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