
Zittau – Ein prunkvoller Tanzsaal mit festlich gedeckten Tafeln auf blitzendem Parkett – so präsentierte sich einst das Familien-Restaurant „Stadt Zittau“ in Hörnitz auf einer Werbepostkarte. Selbstbewußt bewarb Wirt Richard Tilgner ebenso sein „Garten Etablissement“ und zur weißen Jahreszeit lockte entsprechend „Herrlicher Wintersport“ die Gäste hinaus an den Rand des Gebirges. Das ist mehr als 100 Jahre her. Doch wenn dieser Beitrag erscheint, hat die Geschichte jener gastlichen Stätte gerade ihr unwiderrufliches Ende gefunden.
An der Kreuzung zweier Straßen gelegen, die Zittau mit Großschönau und Bertsdorf mit Mittelherwigsdorf verbinden, konnte das Haus auf eine lange Überlieferung zurückgreifen. Schon 1832 soll es hier öffentliche Tanzmusik gegeben haben. Zu dem Zeitpunkt war das (1366 ersterwähnte) Dorf fast 500 Jahre alt, hatte wechselhafte Schicksale erfahren, gehörte zur Mark Meißen und böhmischen Krone und war 1635 mit der Oberlausitz zu Sachsen gekommen. Neben den zwei Gütern, einigen Bauern, Häuslern und Gärtnern lebten Leineweber hier, die mit zunehmender Industrialisierung in den Zittauer Textilfabriken ihr Auskommen suchten.
Vom Schank- zum Kulturhaus
Das „Schubertsche Schankhaus“ war nach 1860 vergrößert worden, fungierte als Herberge und „Ausspanne“, hieß später „Gasthof zu Hörnitz“ und (seit 1875) „Stadt Zittau“. Mit neuen Anbauten entstanden Gesellschafts- und Fremdenzimmer, Theaterbühne und Wintergarten. Seit 1909 brannte elektrisches Licht und 1942 erhielt Erna Schulze die Schankgenehmigung. Nach dem Krieg gab es hier Theaterabende der FDJ, eine HO-Verkaufsstelle, wurde der Komplex Konsum-Landwarenhaus, der Saal gar zum Kinderferienlager.
Nachdem Zimmer und Saal gesperrt werden mußten und ein Wirbelsturm das Dach demolierte, hat die Gemeinde das Areal übernommen. Freiwillige Leistungen der Einwohnerschaft machten 1961 eine Wiedereröffnung als Kulturhaus möglich, wo mit Landfilmvorführungen, Geflügelausstellungen und Jugendtanz eine neue Zeit zelebriert wurde. Gastwirt folgte auf Gastwirt, in der neuen Veranda zog die Schulspeisung ein, und noch 1989 wurde rekonstruiert. Während mit der Wiedervereinigung der Lebensmittelverkauf ein Ende fand, ging der Gaststättenbetrieb weiter.
1995 zählte man die 17. Faschingssaison („Uff nach Hurntz“), ansonsten sorgten „Tage der Internationalen Küche“, Schlachtfeste und Sommerfasching, Familienfeiern und Klassentreffen, nicht zuletzt das Mittagessen für Firmen und Senioren, in „Stadt Zittau“ für anhaltenden Zuspruch. Voller Optimismus wünschte noch 1999 eine Gruppe von Hörnitzer Heimatfreunden in einer Publikation, „daß diese beliebte und traditionsreiche Gaststätte noch viele Jahre als geografischer und gastronomischer Mittelpunkt unseres Dorfes bestehen bleibt.“ (Unser Hörnitz, gestern und heute. Nr 1, April 1999)
Von der Faschingshochburg zum Abriß
Doch im September 2016 berichten Medien, daß die Tage des Hauses gezählt seien. Die Gemeinde habe das Grundstück an Thomas Lange verkauft, der als Betreiber ostsächsischer Pflegeeinrichtungen bereits 2013 das benachbarte historische (Kirch-) Schulgebäude beseitigen ließ, um an dessen Stelle ein Seniorenpflegezentrum zu errichten. Schon damals wollte Lange auch das Gasthaus miterwerben, die Gemeinde jenes aber – noch - erhalten. Drei Jahre später votierte der neue Gemeinderat (seit 2014 9 x Freie Wähler, 4 x CDU, 1 x Linke) mit knapper Mehrheit in geheimer Abstimmung für den Verkauf, wurde der Abriß besiegelt ...
Vergebens hatten Gemeinderat Becker und Jens Albrecht vom Hörnitzer Faschingsclub, welcher hier 32 Jahre Veranstaltungen organisierte, appelliert, das Anwesen zu erhalten. Indes bekannte sich Bürgermeister Ohmann zu der Entscheidung, da das Dorf eben keinen Investor gefunden habe und die notwendige Sanierung nicht bezahlen könne. Die Dinge nahmen ihren Lauf. Thomas Lange kaufte „Stadt Zittau“ für einen Euro und verpflichtete sich, die Abrißkosten zu übernehmen. 2,8 Millionen hatte der Unternehmer zuvor in das benachbarte Pflegezentrum investiert; auf der Fläche, die das dem Untergang geweihte Gasthaus trug, sollte eine öffentliche Parkanlage entstehen.
„Ein Schandfleck“ würde verschwinden, wodurch die Wohngegend „aufgewertet“ werde, wurde Lange dann in der „Sächsischen Zeitung“ zitiert. In dem Zusammenhang gab der Unternehmer zu Protokoll, daß er sich seit Beginn der Abrißarbeiten „massiven Bedrohungen“ ausgesetzt sehe. Sogar die Polizei habe man einschalten müssen, denn er, Lange, werde nun dafür verantwortlich gemacht, daß die Gemeinde das Haus nicht habe retten können. Wie dem auch sei, ohne Langes Zutun stünden zwei traditionsreiche Bauten, die mit nahezu allen Hörnitzer Generationen in Freud und Leid verbunden gewesen, vermutlich noch heute.
Abschied
„Stadt Zittau“ ist nicht mehr, doch Erinnerungen bleiben. Und vielleicht kann das Geschehen ein Weckruf sein, um ähnlichen Entwicklungen an anderer Stelle besser vorbeugen zu können. Was passiert, wenn das Schicksal gefährdeter Bauwerke allein wirtschaftlicher Verwertungslogik unterworfen bleibt, führt der Untergang jenes Hauses, das doch mehr als ein Gasthof war, klar vor Augen. Und so ist der letzte Blick auf ein verlorengegebenes Anwesen, das den Hörnitzern zwei Jahrhunderte treu gedient, mehr als Nostalgie: „Stadt Zittau“, einen Tag vor dem Abriß ...

Quelle: Bert Wawrzinek
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