
Dresden - In Folge 8 unserer kleinen Postgeschichte führt uns der Geh. Postrat Karl Thieme (+ 1917) zurück in jene Zeit, als der Reiseverkehr im sächsischen Königreich noch per Pferdekutsche erfolgte. Nicht ganz reibungslos, denn damals machte auch das private Transportgewerbe der „Hauderer“ oder Lohnkutscher dem staatlichen Postbetrieb mit eigenen Gespannen Konkurrenz. „Haudereien“, die für Vergnügungs- oder auch Bestattungsfahrten zur Verfügung stehen, gibt es noch heute, ebenso aber unzählige Logistikunternehmen, die neben dem gelben Staatskonzern um die Gunst einer anspruchsvollen Kundschaft werben. Auf unserem Bild von Gustav Otto Müller (1827-1922) ist eine Lohnkutscherfahrt in Szene gesetzt, wie sie einst (1836) zwischen Leipzig und Dresden stattgefunden haben mag:
„Der Lohnkutscher bei der Extrapost! Wie kommt Saul (glückloser israelit. König, um 1000 v. Chr.) unter die Propheten? Hat nicht die Post die brave Lohnkutsche, die, ehe es einen Postwagen gab, auf der Welt war und das alte Heilige Römische Reich unter den verschiedensten Namen als Landkutsche, Hauderer, Rollwagen mit billigem Reisefuhrwerk versorgte, von jeher verfolgt und ihr das Leben mit kaiserlichen und landesfürstlichen Edikten schwer gemacht? Und der biedere Leipziger Lohnkutscher auf unserem Bilde beweist, daß er allen Anfeindungen der Post zum Trotze noch immer Vertrauen genießt und eine gut bürgerliche Kundschaft hat. Denn der geistlich ausschauende Herr an der Seite seiner Gattin ist sicher ein Pfarrer, der ein Anliegen bei dem hochwürdigen ‚Landesconcistorio‘ (staatl. Aufsichtsbehörde für die ev. Kirche) vorbringen will.
Und der rundliche Bauersmann, dessen behäbige Glieder in dem bequemen blauen Kutschkasten genug Raum finden, könnte wohl ein ländlicher Amtsvorsteher sein, der bei dem ‚Hohen Geheimen Finanzkollegio‘ (oberste staatl. Finanzverwaltung) in Dresden eine Beschwerde anzubringen hat. Freilich kann unsere Lohnkutsche nur in einem recht ruhigen Tempo fahren, denn sie darf sich keinen Pferdewechsel gestatten und muß daher auf halbem Wege Nachtlager nehmen. Das hat aber sein Gutes, denn der ehrsame alte Handwerksbursche, der ziemlich wegemüde rechts von einem Seitenpfade herkommt, braucht nicht zu fürchten, daß ihm die Reisekutsche in flotter Gangart davonfährt. Er wird in aller Ruhe seinen Fechtpfennig (auf der Walz erbetteltes Kleingeld) einheimsen können.
Der Lohnkutschenverkehr zwischen Leipzig und Dresden war lebhaft genug. In Dresden standen die Kutschen mit dem Hinweise ‚Fahrgelegenheit nach Leipzig‘ auf der Schloßgasse. Ein damaliger Dresdner berichtet freilich mit Entrüstung, wie er sich für den nächsten Morgen eine respektabel aussehende Lohnkutsche nach Leipzig gemietet habe, wie aber zur fälligen Stunde eine ganz andere, höchst fragwürdige Karrete vorgefahren sei, deren er sich wohl oder übel habe bedienen müssen …“
(Fortsetzung folgt)
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