
Pirna – Erst Mitte April hatte der Dresdner Verein „Pro Mitsprache e.V.“ um den politisierenden Hausmeister Rene Jahn mit einer Kunstaktion von sich reden gemacht, wobei das „Trojanische Pferd“, eine 5 Meter hohe Monumentalplastik aus Styropor, gegenüber dem Dresdner Altmarkt für Aufsehen sorgte. Der Mythos des hölzernen Pferdes, mit dem die Griechen das antike Troja nach zehnjähriger Belagerung durch List und Tücke in die Knie zwangen, ist bekannt und scheint nicht nur den Initiatoren eine Versinnbildlichung unserer, in mehrfacher Hinsicht als „besorgniserregend“ empfundenen Gegenwart.
So setzten sich Befürworter und Kritiker, wie der Verein „Atticus“, dessen Vorsitzender Eric Hattke darin gar einen „schleichenden Angriff auf die Grundwerte der Demokratie unter der Bemäntelung von Heimat- und Freiheitsliebe“ erkennen wollte, bald mit dem Projekt auseinander. Als „Reisepferd“, hieß es zuletzt, soll die archaische Skulptur auch anderswo noch ihre Kreise ziehen. Vergangenes Wochenende (30.06./01.07.), zum „Tag der Kunst“ im malerischen Pirna/Sächsische Schweiz, war man dann wieder zur Stelle.
Es mögen 180 Neugierige sein, die zur Eröffnungsveranstaltung auf jenen historischen Marktplatz gekommen sind, der von Bernardo Bellotto (Canaletto) 1753 in einem berühmten Bild verewigt worden war. Die DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld habe absagen müssen, ihre Rede wird von Susanne Dagen, der bekannten Loschwitzer Buchhändlerin, verlesen. Troja wäre damals seiner „Naivität“ zum Opfer gefallen, heißt es ebenda, so hätte man die Kritiker zum Verstummen gebracht und noch eine riesige „Willkommensparty“ gefeiert, bis das Gemetzel der Eroberer begann. In Deutschland sei aus der „humanitären Ausnahmesituation“ von 2015 längst ein „andauernder Ausnahmezustand“ geworden, die „unkontrollierte Einwanderung“ habe unser Land verändert.
Kritik an der Bundesregierung äußern auch Daniel Hobrack und Christoph Berndt, der aus Cottbus gekommen ist. Ein Plädoyer für das zeitlos Schöne von Daniel Heimann schließt die Redebeiträge ab. Unweigerlich schweifen die Gedanken zu Canalettos „Marktplatz zu Pirna“; einen Steinwurf entfernt, vom ersten Stock der heutigen Schuhgasse 16 aus, hatte es der Künstler geschaffen. Und damals wie heute sieht der Betrachter das Musterbild einer über Jahrhunderte gewachsenen Stadt, liebevoll von Generation zu Generation bewahrt und an diesem Tag vielleicht das „Troja“, dessen Zukunft den hier angeregten „öffentlichen Diskurs“ allemalen wert ist.
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